Maintrans-Newsroom

HVO100 – Eine realistische Brücke zur nachhaltigen Logistik?

Inhalt auf einen Blick

Zwischen Vision und Wirklichkeit

Die Diskussion um alternative Antriebe im Schwerlastverkehr ist in vollem Gange – doch während E-Lkw und Wasserstofffahrzeuge vielversprechende Perspektiven bieten, scheitert ihre breite Einführung häufig an hohen Investitionskosten und fehlender Ladeinfrastruktur. Für Unternehmen wie die Maintrans Gruppe, die tagtäglich zuverlässige und flexible Logistiklösungen im Fernverkehr erbringen müssen, braucht es praktikable Übergangslösungen.

Eine davon heißt: HVO100. Doch was steckt wirklich hinter diesem „grünen Diesel“?

Was ist HVO und wie wird er hergestellt?

HVO steht für „Hydrotreated Vegetable Oil“ – ein synthetischer Dieselkraftstoff, der aus biologischen Rest- und Abfallstoffen (z. B. Altfetten) hergestellt wird. Durch ein spezielles Hydrierungsverfahren entsteht ein paraffinischer Kraftstoff, der sich chemisch kaum von fossilem Diesel unterscheidet, aber deutlich umweltfreundlicher ist. Wichtig: Im Gegensatz zum herkömmlichen „Biodiesel“ enthält HVO keine FAME-Anteile und ist länger lagerfähig und motorverträglicher.

Vorteile von HVO im Logistikalltag

  • Sofort einsatzbereit: Keine Umrüstung der Lkw-Flotte notwendig
  • Infrastruktur bleibt bestehen: Tanken an herkömmlichen Zapfsäulen (mit XTL-Kennzeichnung)
  • Klimafreundlicher: CO₂-Einsparung von bis zu 90 % möglich
  • Verbesserte Emissionswerte: Weniger Feinstaub, CO und NOx
  • Scope-3-Reduktion: Für verladende Kunden zunehmend ein Argument

Herausforderungen und Kritikpunkte

  • Höhere Kosten: 10–20 Cent mehr pro Liter als fossiler Diesel
  • Begrenzte Verfügbarkeit: Noch relativ wenig Tankstellen mit HVO100
  • Nachhaltigkeitsdebatte: Kritik von Umweltverbänden wegen Nutzung potenziell umkämpfter Rohstoffe
  • Keine Freigabe für alle Fahrzeuge: Herstellerfreigaben nötig

Warum HVO trotzdem ein Hoffnungsträger ist

Gerade im Güterfernverkehr, wo batterieelektrische oder wasserstoffbetriebene Fahrzeuge aktuell kaum wirtschaftlich darstellbar sind, kann HVO eine wertvolle Übergangslösung sein. Er ist sofort nutzbar, erfüllt Umweltanforderungen und kann – zumindest mittelfristig – zur Dekarbonisierung beitragen, ohne Logistikprozesse zu beeinträchtigen.

Einschätzung aus der Praxis

Das Interview mit Julian Steigerwald, Bereichsleiter Road der Maintrans Gruppe

Gemeinsam mit Julian Steigerwald, als Bereichsleiter Road ein Praxisexperte bei Maintrans, haben wir das Thema HVO100 aus Sicht des Mittelstands betrachtet:

Herr Steigerwald, wie bewerten Sie die aktuelle Entwicklung alternativer Antriebe im Schwerlastbereich aus Sicht von Maintrans?

Als Speditionsunternehmen verfolgen wir die Entwicklung alternativer Antriebe im Schwerlastbereich natürlich sehr aufmerksam; schließlich liegt hier nicht nur eine enorme Verantwortung im Hinblick auf Umwelt- und Klimaschutz, sondern auch eine große Herausforderung für die gesamte Branche, insbesondere was die Umsetzbarkeit im operativen Alltag betrifft. Dabei sehen wir mit Blick auf Technologien wie E-Mobilität oder Wasserstoff durchaus Potenziale – langfristig und unter bestimmten Rahmenbedingungen; allerdings sind diese Lösungen aus unserer Sicht aktuell noch weit davon entfernt, flächendeckend praxistauglich zu sein – sowohl was die technischen Möglichkeiten als auch was die notwendige Infrastruktur betrifft.

Gerade deshalb bewerten wir HVO100 derzeit als eine sehr sinnvolle und realistisch einsetzbare Übergangslösung; es erlaubt es uns, unseren CO₂-Fußabdruck sofort und ohne tiefgreifende Umrüstungen oder Investitionen in völlig neue Fahrzeugtechnologien zu verringern – ein entscheidender Vorteil, vor allem für mittelständische Unternehmen wie unseres. Denn was häufig vergessen wird: Für viele Betriebe gibt es bislang keine ausreichende Investitionssicherheit, wenn es um wirklich nachhaltige Zukunftstechnologien geht – staatliche Förderprogramme sind entweder nicht langfristig angelegt, zu wenig konkret, oder mit bürokratischen Hürden verbunden, die besonders kleinere und mittlere Unternehmen überfordern.

Deshalb brauchen wir aktuell Lösungen, die nicht erst irgendwann in der Theorie funktionieren, sondern jetzt in der Realität praktikabel und wirtschaftlich vertretbar sind; HVO100 erfüllt genau das – und ist aus unserer Sicht ein wichtiger Schritt, bis die ganz großen technologischen Entwicklungen irgendwann in der Breite wirklich anwendbar und bezahlbar sind.

Welche Rolle spielt HVO100 für unsere aktuelle und mittelfristige Fuhrparkstrategie?

HVO100 spielt für unsere aktuelle und mittelfristige Fuhrparkstrategie eine ganz zentrale Rolle. Es ist aktuell der effizienteste und praktikabelste Weg, um den CO₂-Ausstoß unserer Flotte deutlich zu senken – ohne sofort in komplett neue Fahrzeugtechnologien investieren zu müssen. Gerade für ein mittelständisches Unternehmen wie Maintrans ist das ein wichtiger Aspekt: Wir können direkt handeln, statt nur auf zukünftige Lösungen zu warten.

Wir sehen HVO100 dabei ganz klar als Brückenlösung – ein sinnvoller Zwischenschritt auf dem Weg zur langfristigen Dekarbonisierung des Schwerlastverkehrs. Der Kraftstoff lässt sich unkompliziert in unserem bestehenden Fuhrpark einsetzen, schafft Planungssicherheit und bringt uns gleichzeitig unseren Nachhaltigkeitszielen näher.

Gleichzeitig prüfen wir natürlich heute schon, wo sich auch andere alternative Antriebe – wie zum Beispiel E-Lkw in bestimmten Verkehren – wirtschaftlich und technisch sinnvoll integrieren lassen. Für uns ist wichtig, technologieoffen zu bleiben und jedes Mittel sorgfältig zu bewerten, mit dem wir die Emissionen im Transport senken können.

Kommt HVO100 bei Maintrans bereits zum Einsatz – und wie reagieren Kunden darauf, auch im Hinblick auf deren Scope-3-Ziele?

Ja, wir nutzen HVO100 heute bereits – allerdings bislang noch in sehr geringem Umfang. Der Einsatz befindet sich aktuell eher in der Test- und Anlaufphase, da wir genau beobachten, wie sich das Thema operativ und wirtschaftlich in unseren Alltag integrieren lässt.

Was wir aber ganz deutlich spüren: Das Interesse seitens unserer Kunden wächst – insbesondere im Hinblick auf deren eigene Nachhaltigkeitsziele, zum Beispiel im Bereich der Scope-3-Emissionen. Das Thema findet zunehmend Eingang in Gespräche und Ausschreibungen, was wir sehr positiv bewerten.

Gleichzeitig muss man aber auch sagen: Derzeit gibt es noch keine bestehende Geschäftsbeziehung, bei der sich ein Kunde aktiv an den Mehrkosten beteiligt oder diese ausgleicht. Das macht es für uns als mittelständisches Unternehmen schwierig, den Einsatz kurzfristig stark auszuweiten – auch wenn wir dazu grundsätzlich bereit wären.

Um HVO100 wirklich in größerem Stil einsetzen zu können, braucht es also nicht nur technische Machbarkeit, sondern auch eine gewisse wirtschaftliche Partnerschaftlichkeit entlang der Lieferkette.

 Wo sehen Sie die größten Hürden, aber auch Chancen für den breiteren Einsatz von HVO in der Transportbranche?

Die größte Hürde für den breiteren Einsatz von HVO100 liegt aktuell ganz klar bei den Mehrkosten. Auch wenn HVO im Vergleich zu fossilem Diesel deutlich klimafreundlicher ist, fehlt es derzeit an ausreichender staatlicher Förderung oder steuerlicher Entlastung, um den Einsatz in größerem Maßstab wirtschaftlich darstellbar zu machen – insbesondere für mittelständische Unternehmen.

Hinzu kommt, dass es noch keine flächendeckende Verfügbarkeit gibt. Nicht an jedem Standort ist HVO einfach und zuverlässig zu beziehen, was die Planung und Umsetzung zusätzlich erschwert.

Auf der anderen Seite sehen wir aber auch klare Chancen: HVO ist sofort einsatzbereit, benötigt keine Umrüstung der Fahrzeuge und kann den CO₂-Ausstoß in der Logistik spürbar senken – und das heute, nicht erst in ein paar Jahren.

Wenn es gelingt, durch gezielte Anreize mehr Investitionssicherheit zu schaffen und das Thema noch stärker in Kundenbeziehungen zu integrieren, hat HVO das Potenzial, ein wichtiger Baustein für eine nachhaltigere Transportbranche zu werden.

Wie schätzen Sie das Kosten-Nutzen-Verhältnis von HVO im Vergleich zu fossilem Diesel ein – auch im Hinblick auf den Emissionshandel ab 2027?

Aktuell ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis von HVO im Vergleich zu fossilem Diesel noch eine Herausforderung – vor allem für mittelständische Unternehmen. Die Preise für HVO liegen deutlich über denen von herkömmlichem Diesel, während auf Kundenseite häufig noch keine ausreichende Zahlungsbereitschaft für klimafreundlichere Transporte besteht. Insofern überwiegen heute noch die Mehrkosten, auch wenn der ökologische Nutzen unbestritten ist.

Mit Blick auf den geplanten Emissionshandel ab 2027 verändert sich die Rechnung allerdings. Wenn CO₂ einen klar bezifferten Preis bekommt, wird es wirtschaftlich deutlich attraktiver, auf emissionsärmere Lösungen wie HVO umzusteigen – weil fossile Kraftstoffe dann spürbar teurer werden. In diesem Szenario verbessert sich das Kosten-Nutzen-Verhältnis von HVO deutlich und könnte für viele Unternehmen zu einer strategischen Option werden.

Langfristig sehen wir deshalb eine wachsende Bedeutung von HVO – vor allem, wenn es gelingt, Rahmenbedingungen zu schaffen, die nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich Anreize setzen. Der Emissionshandel kann hier ein entscheidender Hebel sein, um klimafreundlichere Alternativen wie HVO wettbewerbsfähiger zu machen

Fazit: Kein Allheilmittel, aber ein Baustein für die Zukunft

HVO ist keine endgültige Lösung – aber ein realistischer Schritt in Richtung emissionsärmerer Logistik, den Unternehmen wie Maintrans heute schon gehen können. Und das ohne jahrelange Wartezeiten, ohne Millioneninvestitionen und mit direkter Wirkung auf die CO₂-Bilanz.

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